Liebe Mandantinnen, liebe Mandanten,
liebe Freunde, sehr geehrte Damen und Herren,
I.
Datenschutz
Der Bundesgerichtshof hat den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch nach Art. 15 der Datenschutz-Grundverordnung in seinem Urteil vom 15.06.2021 präzisiert.
Der Auskunftsanspruch bezieht sich auf personenbezogene Daten. Danach besteht ein Anspruch auf Auskunft und das Recht auf Fotokopien über personenbezogene Daten, die der Vertragspartner speichert. Die Situation kommt regelmäßig bei Versicherungsverträgen und im Arbeitsrecht vor.
Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch nicht nur die Angabe der personenbezogenen Daten nach Art. 4 Nr. 1 Datenschutz-Grundverordnung erfasst, sondern auch die Überlassung von Ablichtungen aller tatsächlichen Dokumente, auf denen die personenbezogenen Daten gespeichert sind. Es reicht also nicht aus, den Mitarbeitern oder den Vertragspartnern mitzuteilen, welche Daten von dem Arbeitgeber gespeichert worden sind, sondern darüber hinaus muss der Arbeitgeber oder das Versicherungsunternehmen auch Ablichtungen von konkreten Dokumenten zur Verfügung stellen, die personenbezogene Daten enthalten. Es reicht somit nicht aus, dass dem Anspruchsteller eine bloße zusammenfassende Mitteilung der Dokumente überlassen wird, die personenbezogene Daten enthalten. Die Dokumente müssen in Ablichtung vorgelegt werden.
Damit geht das höchstrichterliche Zivilgericht Deutschlands über die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hinaus. Das Bundesarbeitsgericht sieht keinen Anspruch auf Herausgabe sämtlicher Dokumente, die personenbezogene Daten enthalten.
Es ist klar, dass sich dieser datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch in der vorgenannten Reichweite des Bundesgerichtshofes vorzüglich eignet, Versicherungen oder Arbeitgeber bei Beendigung des Vertragsverhältnisses erheblich unter Druck zu setzen. Die Auslegung des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs im vorgenannten Fall kann dazu führen, dass hunderte von Dokumenten dem Arbeitnehmer oder dem Versicherungsnehmer zur Verfügung gestellt werden müssen. Dies stärkt die Verhandlungsposition bei Auseinandersetzungen (Kündigungsstreitigkeiten im Arbeitsrecht).
II.
Arbeitsrecht
1.
Es kommt immer wieder vor, dass nicht der Arbeitgeber persönlich oder der Geschäftsführer die Kündigung des Arbeitsvertrages ausspricht. Häufig sind es Personalleiter oder Vorgesetzte, die im Auftrag des Arbeitgebers, häufig eine juristische Person, die Kündigung aussprechen. Hier läuft der Arbeitgeber Gefahr, sich in § 174 BGB zu verheddern.
§ 174 BGB sieht vor, dass eine von einem Vertreter ausgesprochene Kündigung unwirksam ist, wenn der Vertreter eine Vollmacht nicht im Original vorlegt und aus diesem Grund derjenige, der die einseitige Willenserklärung erhält (Kündigung), diese zurückweist. Fehlt also die Vollmacht im Original, droht die Unwirksamkeit der Kündigung. Der Arbeitnehmer hat 6-7 Tage Zeit dies zu rügen.
Für den Arbeitgeber reicht es nicht aus, dass er den Hinweis gibt, die Kündigung sei von einem Personalleiter oder Generalbevollmächtigten unterzeichnet. Er muss Sorge dafür tragen, dass vor Ausspruch der Kündigung der Arbeitnehmer Kenntnis davon erhalten hat, dass der betreffende Mitarbeiter berechtigt ist, Kündigungen auszusprechen.
Es reicht daher nicht, am „schwarzen Brett“ anzugeben, der Personalleiter sei berechtigt Kündigungen auszusprechen. Nicht jeder Arbeitnehmer studiert intensiv das „schwarze Brett“. Häufig kommt es auch vor, dass bei Wechsel des Personalleiters keine Namensänderung am „schwarzen Brett“ vorgenommen wird. In diesen Fällen kann der Arbeitnehmer rügen, dass die Kündigung mangels unterbliebener Vorlage der Vollmacht unwirksam ist.
2. Kopftuchverbot
Ende dieses Jahres hat der Europäische Gerichtshof sich damit auseinandergesetzt, wann ein Kopftuchverbot im Arbeitsverhältnis gerechtfertigt ist.
Die Klägerinnen trugen an ihrem jeweiligen Arbeitsplatz als Verkaufsberaterin und Kassiererin bzw. als Heilerziehungspflegerin ein islamisches Kopftuch. Da der Arbeitgeber der Auffassung war, dass das Tragen eines solchen Kopftuches nicht der religiösen Neutralität gegenüber den Kindern und Dritten in seinem Betrieb entspräche, forderte er die Klägerinnen auf, ihre Kopftücher abzulegen und stellte sie auf ihre Weigerung hin zwei Wochen von der Arbeit frei, wobei er sie abmahnte. Die Klägerinnen gingen vor dem Arbeitsgericht Hamburg gegen die jeweiligen Arbeitgeber vor. Sie beantragten, dass die Abmahnung wegen des Tragens des islamischen Kopftuches aus ihrer Personalakte zu entfernern sei. Das Arbeitsgericht Hamburg legte dem Europäischen Gerichtshof den Rechtsstreit zur Entscheidung vor.
Der Europäische Gerichtshof hat unter folgenden Voraussetzungen das Kopftuchverbot für rechtmäßig erachtet:
- Der Arbeitgeber hat eine interne Regelung getroffen, die den Arbeitnehmer/innen das Tragen sichtbarerer politischer, weltanschaulicher oder religiöser Zeichen am Arbeitspatz verbietet. Gibt es eine solche Regelung, so stellt ein Verbot, ein islamisches Kopftuch zu tragen, keine unmittelbare Diskriminierung dar. Sie stellt grundsätzlich keine Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern dar.
- Nicht akzeptabel ist allerdings, wenn der betreffende Arbeitgeber z.B. das religiöse Kreuz akzeptiert, nicht aber das islamische Kopftuch. In einem solchen Fall liegt eine Diskriminierung vor, die nicht rechtmäßig ist.
- Der Wille des Arbeitgebers, im Verhältnis zu den Kunden eine Politik der politischen, weltanschaulichen oder religiösen Neutralität zum Ausdruck zu bringen, muss ein rechtmäßiges Ziel darstellen. Der bloße Wille reicht nicht aus. Maßgeblich für ein solches Bedürfnis sind insbesondere die Rechte und berechtigten Erwartungen der Kunden und Nutzer. Wird dies bejaht, ist die zweite Hürde für den Arbeitgeber genommen.
Für den Arbeitgeber gilt: Er muss konsequent und allumfassend sichtbare Zeichen politischer, weltanschaulicher oder religiöser Überzeugung (z.B. islamisches Kopftuch, christliches Kreuz oder „Atomkraft, nein danke“) verbieten. Er darf das Verbot nicht nur partiell einsetzen, sondern muss es konsequent bei allen Mitarbeitern umsetzen. Erforderlich ist, dass die Maßnahme durch die Erwartung seiner Geschäftspartner und Kunden, die erwähnten Zeichen nicht akzeptieren zu müssen, gerechtfertigt ist.
3. Lohnanspruch im Lockdown
Das Bundesarbeitsgericht hat sich am 13.10.2021 mit der Frage beschäftigt, ob ein Lockdown zum Betriebsrisiko des Unternehmers gehört.
Mit dem Betriebsrisiko ist gemeint, wer das Risiko des Arbeitsausfalls infolge von außerhalb des Betriebes heranrückender Umstände auf das Unternehmen des Arbeitgebers trägt. Grundsätzlich trägt der Arbeitgeber das Betriebsrisiko. Er kann nicht einwenden, der Vergütungsanspruch entfalle automatisch, wenn z.B. die Aufträge oder Umsätze zurückgehen oder er den Betrieb schließen muss. Hiervon gibt es aber Ausnahmen. Hochumstritten ist die Frage seit der Corona-Krise, ob der Arbeitgeber das Betriebsrisiko trägt, wenn er aufgrund eines staatlich verfügten Lockdowns über einen längeren Zeitraum seinen Betrieb schließen muss. Diverse Gerichte, wie etwas das Landesarbeitsgericht Düsseldorf oder das Landesarbeitsgericht Niedersachen, hatten bisher entschieden, dass das Betriebsrisiko auf Seiten des Arbeitgebers in diesem Fall liegt. Jetzt hat das Bundesarbeitsgericht erklärt, dass die Schließung eines Betriebes aufgrund behördlicher Anordnung im Zusammenhang mit dem Lockdown nicht unter das Betriebsrisiko des Unternehmers fällt. Die Erfurter Richter haben die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen aufgehoben.
Im Ausgangsfall arbeitete eine Frau in Bremen als Minijobberin für 432,00 € als Verkäuferin in einem Handel für Nähmaschinen und Zubehör. Die Regierung von Bremen schloss das Ladengeschäft im April 2020. Die Behörde berief sich dabei auf eine Corona-Allgemeinverfügung vom 23.03.2020. Die Frau erhielt vom Arbeitgeber keine Vergütung mehr.
Im deutschen Arbeitsrecht gilt der Grundsatz: Ohne Arbeit kein Lohn. Gemäß § 615 BGB kann aber ein Lohnanspruch gleichwohl im Annahmeverzug entstehen, ohne dass der Arbeitnehmer gearbeitet hat. Hier stellt sich die Frage, ob die Schließung des Betriebes aufgrund des Lockdowns den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers gemäß § 615 BGB aufrechterhält. Wenn die Schließung des Betriebes aufgrund eines behördlich angeordneten Lockdowns ein Fall des vom Arbeitgeber zu tragenden Betriebsrisikos ist, müsste er auch in dieser Zeit die Vergütung an den Arbeitnehmer zahlen. Die Erfurter Richter argumentieren, dass die Schließung aufgrund des Lockdowns deshalb nicht in das Betriebsrisiko des Arbeitgebers falle, weil es sich nicht um einen alltäglichen Risikofall handele, auf den der Arbeitgeber sich im Laufe der Jahre einzustellen habe und es auch könne. Deshalb hat das Arbeitsgericht im Ausgangsfall keinen Vergütungsanspruch der Minijobberin akzeptiert.
Der entfallende Vergütungsanspruch wird in der Regel durch das Kurzarbeitergeld ausgeglichen. Das Kurzarbeitergeld führt nicht dazu, dass derselbe Nettolohn gezahlt wird wie zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer vereinbart. Es findet eine Deckelung statt.
Ein Minijobber leistet indes keine Zahlung an die Arbeitslosenversicherung. Voraussetzung für Kurzarbeitergeld, dass der Arbeitnehmer beanspruchen kann, ist, dass er Sozialversicherungsbeiträge an die Agentur für Arbeit gezahlt hat. Für Minijobber bedeutet daher das Urteil des Bundesarbeitsgerichts, dass sie weder einen Vergütungsanspruch bei Schließung der Betriebsstätte gegen den Arbeitgeber geltend machen können, noch Kurzarbeitergeld erhalten.
Hinweise und Haftungsausschluss:
Dieser Newsletter beinhaltet keinen Rechtsrat und kann daher keine rechtliche Beratung im konkreten Einzelfall ersetzen. Der Inhalt dieses Newsletters ist ohne vorherige individuelle Beratung nicht als Entscheidungsgrundlage geeignet. Es wird daher eine Haftung im Einzelfall nicht übernommen.
Falls Sie am Weiterbezug dieses Newsletters nicht mehr interessiert sein sollten, können Sie jederzeit eine E-Mail an ihren Ansprechpartner bei Mook Rechtsanwälte oder an die Absenderadresse des jeweiligen Newsletter-Versenders schicken. In diesem Fall werden Sie umgehend aus den Verteilerlisten herausgenommen.