Liebe Mandantinnen, liebe Mandanten,
liebe Freunde, sehr geehrte Damen und Herren,
I. Arbeitsrecht
1. Impfpflicht des Arbeitnehmers
Heftig umstritten ist derzeit die Frage, ob sich der Arbeitnehmer auf Weisung des Arbeitgebers gegen den Corona-Virus impfen lassen muss. Der Arbeitgeber könnte auf seine unternehmerische Freiheit pochen und auf das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Diese Rechte sind in Art. 12 und 14 des Grundgesetzes verankert. Demgegenüber kann sich der Arbeitnehmer auf das Recht auf körperliche Unversehrtheit und auf das Recht auf informelle Selbstbestimmung berufen. Auch diese beiden Rechte sind in dem Grundgesetz geregelt.
Eine Interessenabwägung ergibt, dass die Frage, ob sich jemand impfen lassen muss, ein massiver Eingriff in seine persönliche Lebensgestaltung ist. In die persönliche Lebensgestaltung darf der Arbeitgeber nicht eingreifen. Deshalb ist ihm das Weisungsrecht hinsichtlich einer Impfung grundsätzlich entzogen.
Ausnahmen gibt es dort, wo die Arbeitnehmer aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit einen Anspruch auf eine privilegierte Schutzimpfung gem. § 2 der Corona-Impfverordnung haben, z.B. wenn sie in Krankenhäusern und Pflegeheimen arbeiten.
Es kommt auch nicht eine verhaltensbedingte Kündigung infrage, wenn sich der Arbeitnehmer weigert, sich impfen zu lassen. Jede verhaltensbedingte Kündigung steht unter dem Vorbehalt einer Interessenabwägung zugunsten des Arbeitnehmers. Da der Arbeitgeber nicht in die persönliche Lebensgestaltung eingreifen darf, kann er auch nicht verhaltensbedingt kündigen.
Auch eine personenbedingte Kündigung kommt nicht unter dem Gesichtspunkt infrage. Etwas anderes gilt nur, wenn für bestimmte Berufe eine Pflicht zur Impfung gesetzlich vorgeschrieben wird. Eine gesetzliche Impfpflicht wegen Corona gibt es derzeit nicht. Ärzte und das Pflegepersonal im Krankenhaus bzw. Pflegeheimen und Seniorenresidenzen unterliegen nicht einer Impfpflicht.
Der Arbeitgeber hat aber die Möglichkeit, einen finanziellen Anreiz (Impfbonus) zu setzen.
2. Zugang der Kündigung
Es gibt immer wieder Auseinandersetzungen und Probleme damit, ob ein Kündigungsschreiben wirksam zugestellt worden ist.
Der sicherste Weg ist es, unter Zeugen das Kündigungsschreiben zu übergeben. Dies ist jedoch aufwendig und den Beteiligten unangenehm. Es ist auch möglich, durch den Gerichtsvollzieher das Kündigungsschreiben zuzustellen. Dies ist sicher, jedoch sehr viel teurer als die Zustellung per Post. Wenn es darauf ankommt, dass bei drohendem Fristablauf das Schreiben per Gerichtsvollzieher schnell zugehen soll, so besteht hierin ein Risiko. Die Verteilungsstellen für Gerichtsvollzieheraufträge sind häufig überlastet.
Dringend ist davon abzuraten, eine Kündigung per Einschreiben/Rückschein zu versenden.
Bei dem Einschreiben/Rückschein benachrichtigt der Zusteller den Empfänger, wenn dieser nicht persönlich angetroffen wird. Er hinterlässt eine Nachricht. Erst wenn der Empfänger das Einschreiben tatsächlich bei der Post abholt, ist der Zugang bewirkt. Befürchtet der Empfänger eine unangenehme Nachricht, so wird er nicht das Einschreiben abholen. Die Kündigung ist dann nicht zugegangen.
Vor diesem Hintergrund hat sich in der anwaltlichen Praxis das sogenannte Einwurf-Einschreiben etabliert. Aber dies ist nicht risikofrei. Der Einsender erhält bei der Post zunächst einen sogenannten Einlieferungsbeleg. Der Zusteller scannt vor Einwurf in den Briefkasten den aufgeklebten Barcode, der eine Sendungsnummer enthält. Er bestätigt sogleich den elektronisch generierten Zeitpunkt, dies ist der Auslieferungsbeleg.
Der Einlieferungsbeleg und der Status über die Sendungsverfolgung reichen nicht aus, um den Zugang zu beweisen. Der vom Postboten unterzeichnete Ausflieferungsbeleg kann im Internet nicht abgerufen werden. Dies bedeutet, dass der Versender Schwierigkeiten hat, über ein Einwurf-Einschreiben den Zugang zu beweisen. Er muss daher -und das ist dringend zu empfehlen- den Auslieferungsbeleg bei der Deutschen Post anfordern. Nach Angaben der Deutschen Post ist die elektronische Reproduktion des Auslieferungsbeweises 15 Monate nach Auslieferung möglich.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kommt dem Einwurf-Einschreiben nur dann ein Beweischarakter zugute, soweit die beweisbelastete Partei sowohl den Einlieferungsbeleg als auch die Reproduktion des Auslieferungsbeleges vorlegen kann.
3. Entgeltfortzahlung nach verweigerter Schutzimpfung
Offen ist, ob ein Arbeitnehmer im Falle einer coronabedingten Arbeitsunfähigkeit einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat, wenn er es vorher abgelehnt hat, sich impfen zu lassen.
Gem. § 3 des Entgeltfortzahlungsgesetzes hat ein Arbeitnehmer der infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist und dadurch arbeitsunfähig ist, einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn ihn kein Verschulden betrifft.
Die Kernfrage ist, ob die Weigerung sich impfen zu lassen, kausal ist für die Erkrankung. Bekanntlich gibt es keinen Wirkstoff, der bis zu 100 % wirksam ist. Die Wirksamkeit der bisher vorhandenen Impfstoffe beträgt bis zu 95 %. Bei AstraZeneca wird eine Schutzrate von etwa 90 % erreicht.
Der Arbeitnehmer kann nicht einwenden, auch bei einer Impfung hätte er sich die coronabedingte Erkrankung zugezogen. Die Rechtsprechung setzt nicht voraus, dass 100 %ige Sicherheit für die Kausalität besteht. Es ist auch nicht eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich, sondern ausreichend ist lediglich ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der Zweifel Schweigen gebietet. Dies wird bei Impfungen bei 90 von 100 Fällen, die einen Ausbruch der Erkrankung verhindern, der Fall sein, sodass die Kausalität zu bejahen ist.
Bei der Frage des Verschuldens lässt sich zunächst zugunsten des Arbeitnehmers ins Felde führen, dass die Impfung gegen eine Erkrankung eine persönliche Entscheidung ist, die einen privaten Lebensbereich betrifft, den der Arbeitgeber nicht antasten darf. Dies mag generell bei der Frage der Impfpflicht gelten, nicht jedoch, wenn vom Arbeitgeber Entgeltfortzahlung verlangt wird. Sobald es um finanzielle Aufwendungen geht, ist eine andere Wertung zu übernehmen, die sich aus § 56 Infektionsschutzgesetzes herleiten lässt.
§ 56 Infektionsschutzgesetzes regelt die Entschädigung von Personen, die aufgrund von Quarantänemaßnahmen ihre berufliche Tätigkeit nicht ausüben können.
Nach dem Infektionsschutzgesetz besteht kein Entschädigungsanspruch, wenn die Person deshalb in Quarantäne ist, weil sie eine vermeidbare Reise in ein Risikogebiet vorgenommen hat oder wenn die Quarantäne durch Inanspruchnahme einer Schutzimpfung hätte vermieden werden können. Sinn und Zweck dieser Vorschrift des § 56 Infektionsschutzgesetzes ist es, dass eine Entschädigung dann nicht zu zahlen ist, wenn der betroffene Arbeitnehmer das Tätigkeitsverbot und die Quarantänemaßnahmen in vorwerfbarer Weise verursacht hat.
Es besteht daher für den Arbeitgeber grundsätzlich die Möglichkeit, bei Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer Coronaerkrankung und deren Langzeitfolgen dem Arbeitnehmer gegenüber die Entgeltfortzahlung zu verweigern, weil sich dieser einer möglichen Impfung verweigert hat. Erfolgt allerdings die Verweigerung aus religiösen Motiven, so bleibt der Entgeltfortzahlungsanspruch bestehen, da ansonsten eine Diskriminierung des betroffenen Arbeitnehmers aufgrund seiner Religion vorliegt.
4. Wichtige Entscheidungen für die Praxis
4.1. Auskunftsanspruch gem. Art. 15 der Datenschutz-Grundverordnung (Ent scheidung des LAG Niedersachsen vom 09.06.2020)
Der Datenschutz lässt das Arbeitsverhältnis nicht los. Bekanntlich hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Auskunft nach Art. 15 DS-GVO (Datenschutz-Grundverordnung). Der Anspruch bezieht sich auf die Auskunft über personenbezogene Daten nach Art. 15 DS-GVO. Er beschränkt sich auf die Pflichtangaben nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO.
Der Anspruch auf Überlassung des gesamten Inhaltes einer Personalakte besteht nicht. Der Arbeitgeber kann verlangen, dass der Arbeitnehmer bei einer umfangreichen Personalakte präzisiert, welche Informationen oder welche Vorgänge Anlass seines Auskunftsersuchens sind. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, den gesamten E-Mail-Verkehr zu übersenden.
4.2. Fahrzeiten als vergütungspflichtige Arbeitszeiten
Das Bundesarbeitsgericht hat sich in seiner Entscheidung vom 18.03.2020 -5 AZR 36/19- mit der Frage auseinandergesetzt, ob Fahrzeiten vergütungspflichtige Zeiten darstellen. Die Fahrzeit zum Betrieb ist nicht Arbeitszeit. Etwas anderes ist es, wenn der Arbeitnehmer von Zuhause zu einer auswärtigen Arbeitsstätte fährt, z.B. bei einer Montage oder bei einem Servicedienst. Verrichtet der Arbeitnehmer seine Arbeitstätigkeit außerhalb des Betriebes des Arbeitgebers, gehört das Fahren zur auswärtigen Arbeitsstätte zur vertraglichen Hauptpflichtleistung und ist auch vergütungspflichtig.
4.3. Entgeltfortzahlung bei einer Prozessbeschäftigung
Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 27.05.2020 -5 AZR 247/19- entschieden, dass kein Entgeltfortzahlungsanspruch bei einer Prozessbeschäftigung besteht.
Es kommt häufig im Rahmen von Kündigungsschutzstreitigkeiten vor, dass der Arbeitgeber nach einer Niederlage in der ersten Instanz den Arbeitnehmer zunächst während des Berufungsverfahrens weiterbeschäftigt. Das Bundesarbeitsgericht argumentiert, dass der Anspruch auf eine Prozessbeschäftigung zur Befriedigung des ideellen Interesses des Arbeitsnehmers an einer tatsächlichen Beschäftigung diene. Es bestehe daher kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder an gesetzlichen Feiertagen. Erweise sich die Kündigung nachträglich als unwirksam, so kann der Arbeitnehmer lediglich Wertersatz für die erbrachte Arbeitsleistung verlangen.
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